„Zahlreiche Pflegebedürftige auf Sozialleistungen angewiesen“
AWO und SoVD fordern solidarische Bürgerpflegeversicherung
Anlässlich der Verabschiedung der Pflegeversicherung im Deutschen Bundestag vor zwanzig Jahren am 22. April 1994 fordern die AWO Pflege Schleswig-Holstein und der SoVD Landesverband Schleswig-Holstein eine Stabilisierung der Finanzierung der Pflegeversicherung durch die Einführung einer solidarischen Bürgerpflegeversicherung, in die schrittweise alle Bürgerinnen und Bürger einzahlen. „Nur so können die strukturellen Schwächen des derzeitigen Systems durch ein zukunftsorientiertes und tragfähiges Modell ersetzt werden. Dadurch kann dann auch eine qualitativ gute Pflege bei der zu erwartenden Zunahme an Pflegebedürftigen erreicht werden.“, erklärt Sven Picker, Landesvorsitzender des SoVD.
Jeder kann pflegebedürftig werden – jederzeit. Und das Risiko der Pflegebedürftigkeit steigt mit zunehmendem Alter. Bereits heute erhalten über 2,5 Millionen Menschen Leistungen der Pflegeversicherung. „Diese reichen jedoch bei weitem nicht aus, um die Pflegekosten zu decken“, erklärt Michael Selck, Landesgeschäftsführer der AWO Schleswig-Holstein : „Schon jetzt sind in unseren Einrichtungen zahlreiche Menschen auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen, da die derzeitigen Zuschüsse der Pflegekasse den pflegebedingten Bedarf nur teilweise abdecken.“ Bundesweit sind es 40 Prozent der Pflegebedürftigen. „Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, und dann im Alter auf Sozialhilfe oder darauf angewiesen sind, dass ihre Angehörigen für die restlichen Kosten aufkommen.“
„Dies zu verhindern und ein gutes Leben mit Pflege auch im Alter zu gewährleisten muss unser gemeinsames Ziel sein. Gute Pflege regelt sich nicht über den Markt, sondern nur über einen gemeinsamen gesellschaftlichen Willen und dafür brauchen wir eine wirklich soziale (und solidarische) Versicherung – eine tragfähige Bürger-Pflegeversicherung , die bei der Beitragserhebung auch andere Einkommensarten wie Zinsen, Pachten oder Mieten einbezieht und zugleich die paritätischen Finanzierung durch die Arbeitnehmer und Arbeitgeber beibehält“, fordert deshalb auch Uwe Braun, Unternehmensbereichsleiter Pflege bei der AWO.
Hintergrund
Im Jahr 1994 wurde mit der Verabschiedung der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) durch den Bundestag die fünfte Säule der Sozialversicherung in Deutschland etabliert. Vorangegangen war eine zwei Jahrzehnte andauernde Diskussion um die Situation der Pflegebedürftigen, die Folgen des demografischen Wandels sowie die finanzielle Belastung der Kommunen im Zusammenhang mit der Pflege.
In Kraft trat die Pflegeversicherung dann in einem zweistufigen Verfahren:
Zunächst in einer ersten Stufe (mit Wirkung vom 1.4.1995) mit der Übernahme von Leistungen für ambulante und teilstationäre Pflege (1996 knapp 1,2 Millionen Empfänger, 2013 knapp 1,8 Millionen), dann in einer zweiten Stufe (mit Wirkung vom 1. Juli 1996) mit der Ausweitung des Versicherungsschutzes auf damals rund 480.000 (heute sind es knapp 800.000) Altenheim- und Pflegeheimbewohner.
Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in Schleswig-Holstein bis 2025 voraussichtlich allein als Folge der Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur um gut 40 % zunehmen. Bis 2050 dürfte sich die Zahl fast verdoppeln.
Knapp die Hälfte der Pflegebedürftigen in Privathaushalten ist 80 Jahre und älter. Das Durchschnittsalter liegt bei 71,9 Jahren. 58 % der ab 90-Jährigen sind pflegebedürftig. Bei 27 Prozent der im Jahr 2009 neu begutachteten häuslich betreuten Pflegebedürftigen hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt. Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen benötigen mindestens ab und an in der Woche pflegerische Hilfen während der Nacht, 29 % erhalten so gut wie jede Nacht Unterstützung.