Der Hundertjährige, der in den Flieger stieg

26. March 2014

Als Fritz Hansen am Wochenende seine Koffer packte, um kurz darauf mit seinem Sohn nach Teneriffa zu fliegen, so konnte er die Aufregung um seine Reise nicht recht verstehen: „Ja, Himmeldonnerwetter, ich will doch einfach nur in Ruhe meine Koffer packen und weg. Was wollen die nur alle von mir?“

Was aus seiner Sicht eine normal Urlaubsreise werden sollte, war für die Menschen um ihn herum offensichtlich alles andere als normal: Ein Hundertjähriger, der seine Wohnung im AWO-Servicehaus mit gepacktem Koffer verlässt – das erinnert viele an den Helden aus Jonas Jonassons Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, der in diesen Tagen auch ins Kino kommt.

Reise in die Vergangenheit

Doch anders als der gleichaltrige Filmheld Allan Karlsson verbindet Fritz Hansen mit seiner Urlaubsreise keine Fluchtgedanken, und so viel Abenteuer wie Karlsson erwartet er ebenfalls nicht. Eine Reise in die Vergangenheit ist der Urlaub für ihn aber auch. Denn mit seiner ersten, inzwischen verstorbenen Frau verbrachte er früher viele Winter auf Teneriffa. Später heiratete er noch einmal neu und pflegte seine zweite Frau bis zu ihrem Tod vor einigen Monaten. Trotz aller Trauer über den Abschied überwiegt bei Fritz Hansen jedoch das Gefühl: „Wir hatten eine wunderbare Zeit.“

Zeit, das scheint auch das Lebensthema des gelernten Instrumententechnikers und Werkmeisters zu sein: Jede freie Minute nutzt er, um alte Uhren wieder in Gang zu bringen, so wie er es früher auch beruflich getan hat. Akribisch hat er sein Werkzeug und die vielen Ersatzteile in Schachteln, Schubladen und Ablagen sortiert. Dazu gekommen ist Fritz Hansen durch Zufall: „Eigentlich habe ich vor über 80 Jahren in einer Werkstatt in Kiel angefangen zu lernen“, erinnert er sich. Ein Zufall führte jedoch kurz darauf in eine Flugzeughalle und nach dem Krieg zur Luftwaffe nach Pommern. „Dort lernte ich einen tschechischen Flugzeugtechniker kennen, der in jeder freien Minute Uhren reparierte. Ihm schaute ich erst neugierig über die Schulter, und am Ende reparierte er die Instrumente und ich die Uhren.“

Pläne für die Zukunft

Eigensinnig und interessiert, wie er ist, behielt Fritz Hansen auch später als Wehrdienstberater bei der Bundeswehr sein liebgewonnenes Hobby bei, und Bekannte und Verwandte wussten damals wie heute: „’Der Hansen macht die Uhren heil!‘“ In seinem Haus richtete er sich eine richtige Werkstatt ein, und einen Teil davon hat er auch ins Servicehaus mitgenommen. Immer wieder kommen auch hier Nachbarn oder Mitarbeiter und bringen ihm ihre Schätze zum Reparieren.

Das Lebensziel des Hundertjährigen jedoch bleibt der Bau eines Perpetuum Mobiles, und auch das ist sicher kein Zufall: Einmal in Gang gesetzt, bleibt es ständig in Bewegung, so wie Fritz Hansen selbst: Einkauf, Haushalt, Tagesorganisation, die eigene Gesundheit – um all das kümmert sich Hansen noch selbst und ist immer unterwegs. Vielleicht wirkt er auch deshalb viel jünger als seine hundert Jahre. Und sicherlich ist es für ihn auch deshalb gar nichts besonders, die Koffer zu packen und nicht nur auf Reisen, sondern mit hundert auch nochmal auf Partnersuche zu gehen. Das hat er sogar kürzlich in der Zeitung öffentlich gemacht: „Das Leben ist doch viel schöner, wenn man es mit einem Menschen, den man gern hat, teilen kann.“

Vielleicht trifft er diesen Menschen ja schon viel früher als gedacht, auf Teneriffa. Und wenn nicht, hat Fritz Hansen anders als sein gleichaltriger Filmheld einen Grund mehr, nach Hause, ins AWO Servicehaus, zurückzukehren.