“Es schwirrt wieder in meinem Kopf”

23. February 2015

Heike Röder

Ein Leben ohne Arbeit? Oder eine Auszeit? Das ist für Heike Röder immer unvorstellbar gewesen. Auch im Servicehaus Mettenhof ist die 77-jährige Mutter von sieben Kindern ständig aktiv – und eine von acht Mieterinnen zwischen 60 und 94 Jahren, die 2013 an der wöchentlichen Vorlesungsreihe „ Altenhilfe“ des Studienganges Sozialpädagogik an der Fachhochschule Kiel teilgenommen haben. Mit dem Projekt „Lebenslanges Lernen“, einer Kooperation mit der Fachhochschule, war das Servicehaus für den AWO-Innovationspreis 2014 nominiert. Den Teilnehmenden sollte damit die Möglichkeit gegeben werden, das eigene Alter und Altersbild zu reflektieren und, so Projekt- und Einrichtungsleiterin Susanne Weber, „ vielliecht sogar neue Handlungsspielräume für sich zu erkennen und neu zu gestalten“.

„Heute Morgen bin ich aufgewacht und habe mich gefragt, was ich den Studenten wohl antworten würde, wenn sie mich fragen, wie ich mein Alter empfinde“, sinniert Heike Schröder. Die Antwort darauf kennt sie selbst nicht genau. Nur eines weiß sie: „Sicher nicht wie 77 Jahre. Das ist nur eine Zahl. Doch was soll ich als Maßstab nehmen? Mich selbst? Meine Interessen, Erwartungen und ich – wir haben uns doch über die Jahre immer wieder verändert!“

DSC_5789NEU„Es war immer etwas zu tun“

Nach dem Krieg, 1951, wurde Heike Schröder zunächst eine Lehrstelle zur Konditorei-Fachverkäuferin zugewiesen, und auch nach ihrer Heirat 1954 blieb sie weiter berufstätig: „In einer Lederwarenfabrik, in der Produktion von Pyrotechnik…Was es eben gab“, erzählt Heike Schröder. Zwischendurch brachte sie sieben Kinder zur Welt. „Es war immer etwas zu tun, aber der Haushalt ging mir glücklicherweise leicht von der Hand.“

Anfang der sechziger Jahre zog Frau Schröder von Kiel nach Trappenkamp, wo sie in den AWO Ortsverein eintrat und merkte: „Der Kontakt zu älteren Menschen ist mein Ding“. „Ihr Ding“ verlor sie fortan nicht mehr aus den Augen. Die Kinder waren bereits in der Ausbildung, als ihr Mann 1966 starb. „Das Weiterarbeiten war für mich selbstverständlich“, erzählt Heike Röder. „Ich hatte ja auch bisher über die AWO hauswirtschaftliche Hilfen geleistet“. In Lübeck, wo es sie 1977 hinverschlug, machte sie den Schwesternhelferschein.

„Die Berufstätigkeit hat mich ausgefüllt, anders als die Kinder. Mit Arbeit habe ich mich immer wohler gefühlt also ohne“, meint Frau Schröder rückblickend. „Ich habe mich bewusst dafür entschieden. Gemusst hätte ich nicht unbedingt. Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, dass mich die Menschen immer als ausgeglichen beschrieben haben“, vermutet sie.

Erst als sie aus gesundheitlichen Gründen mit 53 Jahren ihre Arbeit aufgeben und in Frührente gehen musste, zog sie zurück nach Kiel, um ihre Eltern zu unterstützen. Halt gegeben hat ihr stets ihre eigene Familie: „Meine Kinder sind verstreut und leben ihr Leben. Aber sie sind da und ich nehme teil. Meine Familie ist auch meine Tankstelle“. So war es auch ihre Tochter, mit der sie sich das Servicehaus Mettenhof anschaute: „Ich möchte da leben, wo Gesellschaft ist und ich gut versorgt werde. Das habe ich hier gefunden“.

DSC_5785NEU_1„Jeder Tag ist eine Auszeit für mich“

Auch wenn sich ihre Lebenssituation und ihr Wohnumfeld geändert haben, eines ist bei Heike Röder stets gleich geblieben. Heute wie früher steht sie mitten im Leben: tatkräftig und entscheidungsfähig – emanzipiert im besten Sinne. Die Vorlesungen an der Fachhochschule Kiel – ihre erste Studienerfahrung – sind nur ein Beweis dafür: „Es schwirrt wieder in meinem Kopf! Ich erfahre nicht nur, was die Wissenschaft über das Älterwerden weiß. Ich werde durch den Austausch mit den Studenten auch lebendiger.“ Ist die Studienzeit also so etwas wie ihre erste Auszeit vom Alltag? Heike Röder lacht: „Jeder Tag ist heute eine Auszeit für mich! Weil ich genau das tun kann, was ich will“.