Im Zweifel für die Freiheit

10. May 2017

Die AWO Pflege gewährt Freiheit mit Sicherheit für alte Menschen: Yvonne Martini (Leiterin des AWO Servicehauses in Ellerbek), Anke Homann (Vorstand Landespflegeausschuss), Franz-Ulrich Löning-Hahn (Leiter der AWO Dienste und Einrichtungen in Neumünster), Anke Buhl (Referentin AWO Pflege), Anne Christin Rahn (Wiss. Mitarbeiterin Uni Hamburg), Uwe Braun (Leiter des Unternehmensbereichs AWO Pflege) und Claus Godbersen (AWO Qualitätsmanagement, von links). Foto AWO

AWO Schleswig-Holstein überführt bundesweites Vorzeigeprojekt zum Thema freiheitseinschränkende Maßnahmen in der Pflege in Regelbetrieb

Kiel. Sie rufen nicht nur schreckliche Bilder hervor: Freiheitseinschränkende Maßnahmen (FEM) in der Pflege sind auch falsch verstandene Fürsorgemaßnahmen und werden außerdem viel zu oft gesetzeswidrig angewendet. „Wer Menschen im Bett fixiert oder in ein Zimmer einsperrt, verletzt deren Menschenwürde und deren Recht auf körperliche Unversehrtheit“, sagt AWO-Geschäftsführer Michael Selck. Diese Maßnahmen sind grundsätzlich strafbar, nur in besonderen Ausnahmefällen gerechtfertigt und müssen dann von einem Gericht genehmigt werden.

„Mit der evidenzbasierten ‚Leitlinie FEM‘ haben wir den Mitarbeiter*innen in der Pflege eine Grundlage an die Hand gegeben, Freiheit mit Sicherheit zu gewähren.“ In allen AWO-Einrichtungen und Diensten startete aus diesem Grund 2014 das Projekt „Freiheit mit Sicherheit“, das seit Anfang des Jahres in den Regelbetrieb übernommen wurde. Es war 2016 für den Altenpflegepreis nominiert.

FEM sind nicht notwendig, sondern sogar kontraproduktiv

Die Beweggründe für FEM klingen im ersten Moment logisch und berechtigt: Meist geht es darum, Menschen vor Verletzungen, vor allem Sturzverletzungen, zu schützen. Doch sowohl körpernahe FEM wie Bettgitter oder Fixiergurte als auch körperferne wie abgeschlossene Wohnbereiche oder auch verschiedene Psychopharmaka führen bei genauerer Betrachtung meist nicht zu dem gewünschten Ergebnis. „Es gibt wissenschaftlich keine Belege dafür, dass durch FEM effektiv Stürze vermieden werden“, sagt Professor Sascha Köpke vom Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, der das Projekt wissenschaftlich begleitete. „Im Gegenteil deuten verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass längerfristig angewendete FEM zu mehr Stürzen und Verletzungen führen.“

Mehr Informationen: www.leitlinie-fem.de