Kiel früher

9. June 2017

Herr Burgunde im Gespräch mit MieterInnen

Erinnerungskultur als Projekt

In einer mehrteiligen Veranstaltungsreihe läuft derzeit das Projekt „Kiel früher“ im AWO Servicehaus Wellingdorf als Handlungsprojekt im Rahmen der Staatlichen Anerkennung zum Sozialpädagogen/ Sozialarbeiter.

In einer ersten Veranstaltung am 30.05. wurde das Projekt vorgestellt und zunächst einige Grundfragen geklärt:

  • Was bringt es uns, von früher zu reden?
  • Was hat Erinnerung mit Identität zu tun?
  • Warum sollte eine Lebensbilanzierung positiv ausfallen?
  • Was können Erinnerungen auslösen?

Dann wurde dem Projekt ein inhaltlicher und formaler Rahmen verpasst. Worum soll es in den Veranstaltungen gehen und in welcher Form geschieht dies? Es sollen Geschichten von Mietern für Mieter erzählt werden, die einen Kiel-Bezug haben und nicht weiter als bis zur Nachkriegszeit zurückreichen. Die äußere Form soll ein Stuhlkreis sein, damit sich die Teilnehmer*innen ansehen können, wenn sie miteinander sprechen. Auch können Themen zur Sprache kommen, die  ein Schlaglicht auf die damalige Alltagskultur, Sitten und Gebräuche werfen.

So wurde beispielsweise von einer Frau, Jahrgang 1941, erzählt, die so gerne Friseurin werden wollte. Der strenge Vater ließ das jedoch nicht zu, worauf sie sich auf der Toilette einschloss, was aber auch nicht half: Sie durfte nie einen Beruf erlernen, worunter sie noch heute leidet. Stattdessen ging sie „in Stellung“, wie man damals sagte, d.h. sie führte einer wohlhabenden Familie den Haushalt. Später musste sie putzen gehen.

Über das alte Kiel mit Gaardener Kaufhaus, Kiels Seilbahn und die Straßenbahn Linie 4 gingen die Gespräche auch in Richtung der unmittelbaren Nachkriegszeit in Kiel, die doch viele der Anwesenden geprägt hat. Einige kollektive Erfahrungen wie Hunger und Flucht kamen zur Sprache, aber auch ganz individuelle. In den weiteren Veranstaltungen wird es u.a. um den Stadtteil Wellingdorf und die früher dort ansässigen Firmen und Geschäfte gehen.