„Here‘s still Light“, unter diesem Namen hat der deutsche Textil-Künstler Gerd G. M. Brockmann gemeinsam mit 17 dänischen und deutschen Senioren und Seniorinnen ein Projekt konzipiert, das bis zum 14. Dezember in der dänischen Kunst-Galerie “Galleri Nexus” in Uge, Apenrade zu sehen war. Mit dabei waren auch sieben Damen der AWO Servicehäuser Flensburg. Dank ihrer flinken Finger entstand nach und nach eine zeitgenössiche soziale Skulptur, die alle Beteiligten bereicherte und jetzt mit großem Erfolg der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
„Ältere Menschen teilen gern ihr Wissen“
„Kann ein Kunstwerk nationale Grenzen und Altersunterschiede aufheben?“, hatte sich der 37-Jährige gefragt und so die Idee entwickelt, strickende Menschen von beiden Seiten der Grenze zueinanderzubringen, die gemeinsam an einer Kunstinstallation stricken. „Ältere Menschen teilen gern ihr Wissen“, erklärt der Künstler seine Idee. „Sie sind die Träger von Traditionen, werden jedoch allzu oft in unserer Gesellschaft vergessen. Obwohl ihre Zahl ständig wächst, erhalten sie im öffentlichen Interesse wenig Raum. Sie werden zwar betreut und gepflegt, doch darüber hinaus? Als Zeugen der größten Umwälzungen der letzten Jahrzehnte sollten ältere Menschen in gesellschaftliche Prozesse mehr einbezogen werden. Sie bilden die für unsere Gesellschaft notwendigen Brücken zwischen gestern, heute und morgen, zwischen Tradition und Modernität. Wir müssen sie in die öffentliche Sphäre integrieren und innovative Wege wagen.“
Ein Verbindungswerkzeug
Ziel des Projekts war es darüber hinaus, alte Strick-Traditionen wiederzubeleben und das Know-how an die nachfolgenden Generationen zu übertragen. Mit der Schöpfung der Skulptur wurden die dänischen und deutschen Künstler und Künstlerinnen auf beiden Seiten der deutsch-dänischen Grenze betraut. Neben der sozialen Skulptur bilden ihre Porträts und Biographien einen weiteren Teil der Ausstellung. Installationen geben Einblicke in den kreativen Prozess.
Die Galerie Nexus war nur die erste Station des Projekts. Berlin, London, Dublin, Brüssel, Paris und Istanbul könnten die nächsten Etappen sein. Geplant ist auch die Beteiligung von Schulklassen und außerschulischen Einrichtungen an dem Projekt, um so dem Gesamtkonzept weitere Bedeutung zu verleihen.
“HERE’S STILL LIGHT” wird unterstützt von Kulturfocus.dk und der AWO S-H.
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Lesen Sie auch das Interview mit der Künstlerin Mary Langholz (90).
Ein Geweih als Symbol für die Einheit
Frau Langholz, wie sind Sie zu dem Projekt gekommen? Herr Brockmann kam eines Tages in unsere Strickgruppe, stellte sich vor und erzählte uns von seinem Vorhaben. Alte Menschen sollten mit einbezogen werden und ihr Wissen weitergeben. Das hat mich und die anderen begeistert.
Wie sind die ersten Werke entstanden? Wir bekamen nicht nur Vorgaben, sondern sollten auch selbst überlegen, was wir Neues aus Strick herstellen konnten. Irgendetwas, was es so noch nicht gab. Da fiel mir ein: Bilder stricken. Das ist nichts für Anfänger. Zusammen mit Herr Brockmann habe ich verschiedene Figuren aufgezeichnet. Es war gar nicht so einfach, das Gemalte in Strickmuster umzurechnen. Man muss da schon genau wissen, wie die Maschen sich verhalten. Schließlich soll der Kreis am Ende auch rund sein. Da war schon das ein oder andere Blatt Papier vermalt, bevor ich den Dreh raus hatte.
Seit wann stricken Sie? Ich stricke schon mein Leben lang. Stricken ist mein Leben. Stricken war immer der Mittelpunkt. Daher habe ich schon alle Muster gestrickt, die es so gibt. Ich habe das meiste gestrickt. Ich war auch die Schnellste. Schon immer.
Was hat Ihnen am meisten Spaß bereitet? Dass wir selbst entwerfen und eigene Ideen mit einbringen konnten. Im Verlauf des Projekts wollte Herr Brockmann gern die Inschrift „War is over“ von mir gestrickt haben. Die dänischen Damen haben sich das nicht zugetraut. Die von ihm gemalten Buchstaben in Strickmuster umzusetzen, war gar nicht so einfach. Was soll ich sagen? Letztlich hat es genau gepasst.
Wie war das Treffen mit den dänischen Damen? Der Kontakt war gut. Einige der dänischen Damen sprachen Deutsch und anders herum. Bei den Treffen war jedoch nicht das Stricken das Thema Nr. 1. Wir haben uns über die Kriegs- und Nachkriegszeit unterhalten. Da wir die Inschrift „War is over“ stricken sollten, kamen wir unweigerlich auf das Thema. Schließlich haben die Dänen unter uns Deutschen gelitten. Die Damen selbst jedoch nicht, wie sich im Gespräch rausstellte.
Ein Symbol für die Einheit und für „War is over“ ist auch unser Geweih. Die eine Seite wurde von uns bestrickt und die andere Seite von den dänischen Damen. So sind wir wieder zusammengewachsen. Die dänischen Damen haben gesagt: „Der Krieg ist vorbei“.
„Wir wollten kein Geld verdienen“
Die Flensburger Künstlerinnen Mary Langholz, Erika Pieger, Karin Büchel, Christa Petersen, Ellen Petersen, Marga Robbe und Karin Margenfeldt aus dem AWO Servicehaus Fruerlund erzählen von ihren Erfahrungen mit dem Projekt „Here’s Still Light“.
„Wir müssen ehrlich sein: Der Spaß stand für uns im Vordergrund bei diesem Projekt. Andere Strickgruppen hatten das Angebot von Herrn Brockmann abgelehnt, da sie Geld für ihr Gestricktes haben wollten. Wir nicht. Bei unseren wöchentlichen Treffen stand und steht immer der Spaß im Vordergrund. Viele von uns stricken bereits fast ihr ganzes Leben. Aber konnten wir auch gut genug für eine Ausstellung stricken? Zu verlieren hatten wir ja nichts, und die Wolle bekamen wir gestellt. Sonst gab es zwar Vorgaben bei Größen und Formen der Objekte, beim Rest jedoch konnten wir unsere Kreativität walten lassen. Der Künstler schaute regelmäßig vorbei und fachsimpelte mit uns über Stricken. Vor allem Frau Langholz strickte wie ein Weltmeister. Woche um Woche stellte sie ihre Werke vor. Im Mai trafen wir dann zum ersten Mal die dänischen Künstlerinnen. Neun Strickdamen besuchten uns im Servicehaus, und wir verstanden uns auf Anhieb – auf Deutsch, Dänisch oder Englisch. Insgesamt haben wir rund 150 verschiedene Teile gestrickt. Bei unserem Gegenbesuch in Dänemark bekamen wir die letzte Aufgabe: ein Geweih zu umstricken. Und dann war er da: der Tag der Eröffnung. Gespannt stiegen wir in die Autos und fuhren unserer Ausstellung entgegen. Als wir im Dunkeln bei der Galerie ankamen, waren die Fenster des kleinen Häuschens bereits beleuchtet. Schon von draußen konnten wir einige unserer Kunstwerke erahnen. Dennoch staunten wir nicht schlecht, als wir die warme Gallerie betraten.“