Es ist sechs Uhr morgens, und ich bin auf dem Weg nach Eckernförde, wo ich in den nächsten drei Monaten im Servicehaus der AWO als Pflegehelferin aushelfen werde. Normalerweise bin ich im Ambulanten Dienst der AWO Büdelsdorf/Schacht-Audorf tätig. Doch jetzt herrscht in Eckernförde akute Personalnot, und unsere Pflegedienstleiterin Barbara Winkler hat mich gefragt, ob ich im stationären Bereich aushelfe. Ich muss nicht lange überlegen, denn ich liebe Eckernförde, es ist Sommer und das Servicehaus liegt am Strand…
An meinem ersten Tag bin ich positiv überrascht: Aus Erzählungen weiß ich, dass man im stationären Bereich bis halb zehn oft neun oder zehn Bewohner grundpflegerisch versorgt und zum Frühstück begleitet haben muss. Ich bekomme sechs anvertraut. Die erste Dame sitzt noch im Bett, als ich ihr Zimmer betrete und mich vorstelle. Während ich ihr in die Strümpfe helfe, halten wir ein Schwätzchen. Auch bei den weiteren Bewohnern verläuft alles harmonisch, und ich bin auf dem Weg zur letzten Dame, einer an Multipler Sklerose erkrankten Frau. Ich klingele, schließe auf, flöte mein fröhliches „Guten Morgen“ – und werde auf Streichholzschachtelgröße zusammengefaltet: „Die Klingel kann man auch vernünftig drücken, und dieses laute ‘Guten-Morgen-Gebrüll’ braucht kein Mensch!“ Ich will mich entschuldigen, doch werde gleich wieder unterbrochen: „Reden Sie nicht rum, machen Sie Ihre Arbeit!“ In der nächsten halben Stunde mache ich alles falsch: Das Bad ist zu kalt, die Wäsche liegt verkehrt. Ich wasche den Rücken zu hart, reiche die Hausschuhe zu spät – und soll mich am Ende nie wieder sehen lassen. Die Pflegedienstleiterin ist bereits informiert, als ich kleinlaut bei ihr vor der Tür stehe. Ich sei nicht die erste, der das passiert, beruhigt sie mich. Und doch habe ich das Gefühl, versagt zu haben.
Zeit für Bewohner/-innen — und deren Entschluss
Der restliche Vormittag verfliegt mit Toilettengängen, Aufräumen, Wäschewaschen, Fingernägelschneiden und netten Unterhaltungen. Nach ein paar Wochen kenne ich die Bewohner schon gut, und die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen macht Spaß. Am Ende meiner Zeit in Eckernförde wird ein Gedanke, der mir schon lange im Kopf herumschwirrt, zum festen Entschluss: Ich werde meine Ausbildung zur Altenpflegefachkraft machen. In kaum einem Beruf braucht man so viel Respekt vor dem Menschen, muss sich anpassen, ohne sich zu verstellen, und in andere hineinfühlen. Und an jedem Tag in der Pflege wird einem bewusst, dass unser Leben endlich ist und unsere Zeit begrenzt und kostbar. Den Strand habe ich in diesem Sommer in Eckernförde zwar nie gesehen. Dafür mache ich heute meine Ausbildung zur Altenpflegerin.
Christine Zarske, Mitarbeiterin der Pflegedienste Büdelsdorf